Geschichten/Meinungen
Angesichts der sehr selektiven und zweckgebundenen Berichterstattung der letzten Tage fühle ich mich genötigt diese Zusammenfassung eines Referats von 2013 zu veröffentlichen.

Nigeria - Land zwischen Rück- und Fortschritt

Nigeria ist eines der reichsten und mächtigsten Länder Afrikas.
Grund dafür sind zahlreiche Öl- und neu entdeckte Diamantvorkommen.

Noch vor ca. 60 Jahren beruhte Nigerias Wirtschaftskraft vor allem auf Agrarflächen.
Erdnüsse, Palmöl und Kakao waren die größten Exportgüter. Diese machten 80 Prozent des BIP aus.
In den 1950er Jahren, mit der Entdeckung der Ölvorkommen, änderte sich das rapide.
Heute macht die Öl- und Erdgasproduktion allein 80 Prozent des BIP aus, wobei jedoch der größte Teil der Gewinne bei den Öl Konzernen und der Regierung ankommt. Die Bevölkerung dieses reichsten Landes in Afrika ist gleichzeitig eine der ärmsten auf dem Kontinent.

Öl Konzerne wie Shell, Agip, oder Total sind die größten Investoren des Landes, aber zugleich auch die größten Umweltverschmutzer. So hat die Ölproduktion in Nigeria fast unbemerkt von der Welt- Öffentlichkeit einen der größten Mangrovenwälder der Erde fast vollständig und unwiederbringlich zerstört. Eine Katastrophe, die größer ist als jedes Tankerunglück der Geschichte. Und sie dauert an. Noch heute sprudelt aus alten, stillgelegten Bohrköpfen ungehindert Öl in das Niger Delta.
Mitten in dieser zerstörten Landschaft findet man sogenannte Schwarzdestillerien, in denen arme Menschen unter Lebensgefahr Benzin und Diesel herstellen um Geld für ihre Familien zu verdienen. Sie könnten pro Fass ca. 180 Euro verdienen, jedoch bleiben ihnen meist nicht mehr als 20 Euro, da sie die Umweltschutzpolizei bestechen müssen.
Die Korruption beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Umweltbehörden, sondern umfasst alle Regierungskreise. So sollen laut Informationen von Wikileaks, Mitarbeiter von Shell sämtliche Schlüsselpositionen in der Regierung besetzt haben.

Dass eine so große Kluft zwischen Arm und Reich Konfliktpotenzial in sich birgt ist aus anderen Staaten bekannt. In Nigeria kommt ein weiteres Problem hinzu. Ethnische und religiöse Konflikte.
So ist der Süden des Landes vorwiegend christlich geprägt und der Norden muslimisch. Dazu gibt es hunderte Naturreligionen, welche aber oftmals mit den beiden großen Religionen einhergehen.
Ein großes Problem stellen die radikalislamischen Gruppierungen im Norden dar, welche in den letzten Jahren in fast allen, durch sie beherrschten Bundesstaaten, die Sharia durchgesetzt haben.
Ihr Ziel ist es dieses Recht im ganzen Land umzusetzen. Die Regierung um Präsident Jonathan Goodluck steht dieser Entwicklung hilflos gegenüber, da die Verfassung es zulässt, dass Bundesstaaten ihr eigenes föderales Recht ausüben dürfen.
So kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen.

Ein aktuelles Beispiel für ein weiteres Problem ist der kürzlich verübte Anschlag auf ein Ärzteteam, welches im Norden des Landes unterwegs war um Impfungen gegen Polio(Kinderlähmung) vorzunehmen. Die Rechtfertigung dieser Tat ist in einem Verbot von Polio-Impfungen und der Anwendung der Sharia zu finden. So wurde in den muslimisch dominierten Bundesstaaten vor Jahren das Gerücht verbreitet, dass die Polio-Impfungen unfruchtbar machten. Daraufhin wurden diese unter Todesstrafe verboten.
Eine Konsequenz daraus ist, dass ca. zwei drittel aller weltweiten Kinder-Lähmungs-Erkrankungen in Nigeria zu finden sind.

Ein Land, welches mit seinen heute bekannten Grenzen durch die Kolonialisierung der Briten entstanden ist, aus mehreren hundert Volksgruppen mit weit über zweihundert Sprachen besteht und eine mehr als 5000 jährige Kulturgeschichte in sich vereint, steht heute an einem Scheideweg.
Anschläge auf Ölpipelines, christliche und muslimische Einrichtungen, Entführungen von Mitarbeitern der Ölkonzerne, sowie öffentliche Hinrichtungen, Folter durch die Polizei und die gesetzliche Verfolgung von Homosexuellen(im Norden Nigerias unter Todesstrafe) sind an der Tagesordnung.
Sollte es der Regierung und der internationalen Gemeinschaft nicht gelingen der Umweltverschmutzung und den religiösen Konflikten Einhalt zu gebieten, so könnten die Bürger, mehr noch als jetzt schon, aufbegehren und das Land in einen weiteren Bürgerkrieg stürzen. Auch wenn dessen Ausgang ungewiss sein möge, stünde doch fest, dass er mit sehr viel unschuldigem Blut bezahlt würde.

Obwohl die Menschenrechte aufgrund vieler innerer Konflikte offensichtlich missachtet werden ist Nigeria ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat und in anderen internationalen Organisationen. Es entsendet Truppen in andere Krisenländer und exportiert sein Öl und Erdgas nach Europa und in die USA.
Nigeria kann damit als negatives Beispiel für die Folgen von Globalisierung und wirtschaftlicher und religiöser Interessenkonflikte gesehen werden.

Danke fürs Zuhören, G.P.J.












Quellen:
Text: Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. März 2007: Schwere Zeiten für Homosexuelle in Nigeria ,Auswärtiges Amt: Datenblatt Nigerias , Michael Hammer: Nigeria – Sharia gegen Menschenrechte, amnesty journal, September 2002 , Amnesty International Zur Menschenrechtslage in Nigeria , Arte: „mit offenen Karten“, http://www.sueddeutsche.de/politik/wikileaks-shell-in-nigeria-sie-wissen-alles-1.1034143